Streuobstbau in Hohenlohe-Franken und Initiativen zu deren Erhalt
von:
Ulrich Hartlieb
Förderkreis regionaler Streuobstbau
Hohenlohe-Franken e.V. (FÖS)
Charlottenhöhe 30
D- 74592 Kirchberg/Jagst
Tel.: 07954 / 548

Beate Leidig
Landschaftserhaltungsverband Schwäbisch-Hall e.V.
Postfach 11 04 53
D-74507 Schwäbisch Hall
Tel.: 0791 / 755-235

Dr. Andreas Boettger
Hohenloher Fruchtsäfte
Carl Schließmann Nachfolger GmbH & Co. KG
Heideweg 11
D-74523 Schwäbisch Hall

 
Kaum ein Landschaftselement typisiert die Südwestdeutsche Schichtstufenlandschaft so treffend wie unsere Streuobstwiesen. Dabei trägt unsere Region erheblich zu diesem Charakteristikum bei, denn auch heute noch prägt dieses Biotop aus Menschenhand die Hänge unserer Täler, die Steillagen unserer Keuperberge und vor allem noch die meisten Ränder unserer Ortschaften. Früher waren auch die ebenen Gäulandschaften von zahlreichen flächigen Obstwiesen durchsetzt, heute sind dort Birn-, Apfel- Zwetschgen- und Nußbäume meist an Weg- und Straßenrändern gedrängt worden.
Dies blieb nicht ohne Auswirkungen: Zum einen verarmte das Landschaftsbild, zum anderen gingen wertvollste Lebensräume für Tiere und Pflanzen verloren. Denn aufgrund der zwangsläufig weniger intensiven Nutzungsweise des Grünlandes unter den Obstbäumen konnte und kann sich hier eine Vielfalt an Wiesenblumen halten, die auf dem Intensivgrünland "nebenan" schon längst verschwunden ist. Genannt seien nur beispielhaft Glockenblumen, Klappertopf, Storchschnabel und verschiedene Knabenkräuter. Ebenso die Tierwelt: Die Kombination Gehölzstruktur mit blütenreicher Wiese lockt hunderte von Insektenarten an, die wiederum Nahrung für eine große Anzahl verschiedenster Vögel bietet. Viele dieser finden in den hohlen Stämmen der leicht ausfaulenden Bäume dazu noch ideale Brutmöglichkeiten. Unter ihnen sind auch in Hohenlohe solch hoch bedrohte "Juwelen" wie der Steinkauz und der Raubwürger, ebenso vielen bekannte Sympathieträger wie der Grünspecht und unsere Meisenarten.
 
 
Nachdem viele Obstwiesen auch in unserer Region in den 60er und 70er Jahren nahezu ersatzlos gerodet wurde, setzte in den 80er Jahren ein deutliches Umdenken ein - auch aufgrund der Alarmmeldungen aus Kreisen der Naturschutzverbände, die den Artenrückgang bemerkten. Unter dem Eindruck des rapiden Verlusten infolge des Strukturwandels in der Landwirtschaft war derer Aktiven schnell klar, daß sich langfristig nur mit einer ökonomischen Wertsteigerung der Streuobstprodukte die wertvollsten Biotope retten lassen. Diesen Wurzeln entsprangen dann eine Reihe von Streuobstinitiativen. Seit 1985 ist vor allem die Naturschutzbund-Gruppe (NABU) aus Kirchberg/Jagst mit phantasievollen Aktionen in Erscheinung getreten. Sie bezuschusste damals (wie auch heute noch) jeden auf Gemeindemarkung neu gepflanzten Obstbaum-Hochstamm mit 50% der Kosten aus ihrer Vereinskasse. Ferner warb sie in der Öffentlichkeit für den Kauf von ungespritzten Äpfeln aus Streuobst und vermittelte Erzeugeradressen an interessierte Verbraucher. 1986 etablierte die NABU-Gruppe den bis heute sehr beliebten Brauch einer "Mostprämierung" am Kirchberger Stadtfeiertag, die das Mosttrinken wieder salonfähig machen sollte. Für diese Aktivitäten zugunsten der Streuobstwiesen erhielt die Ortsgruppe 1988 vom NABU-Bundesverband eine Preis-Prämie von 8000 Mark, um die vielfältigen Streuobst-Aktivitäten fortsetzen zu können. So fügte es sich gut, daß im selben Jahr der mittelständische Fruchtsafthersteller Kurt Moor aus Langenburg, Naturschützer der Landkreise Schwäbisch Hall und Ansbach zu Gesprächen einlud. Ziel dieser Gespräche die Entwicklung eines neuen Streuobstsaftes für den Handel. Dabei sollte mit einem Streuobstpflegezuschlag von 20 Pfennig je Literflasche dem umweltbewussten Verbraucher verdeutlicht werden, dass er mit dem Kauf dieses Getränks seine Umwelt schützt und seine Gesundheit fördert.
Dieser Anstoß war dann letztendlich Auslöser für die Entstehung des Förderkreis regionaler Streuobstbau (FÖS) e. V. Hohenlohe-Franken mit Sitz in Kirchberg/Jagst, der damit nach der BUND-Gruppe Markdorf/Bodensee (1987) als die zweitälteste Streuobstvermarktungs-Initiative in Baden-Württemberg bzw. der Bundesrepublik Deutschland gilt. Heute dienen beide weit über unsere Region hinaus als gelungenes Beispiel dafür, dass Naturschutz und unternehmerisches Denken erfolgreich zusammengeführt werden können.
Nach seiner Gründung 1989 sah der FÖS mit dem Kirchberger NABU-Vorsitzenden Ulrich Hartlieb an der Spitze seine Aufgabe vor allem darin, die entsprechende Anzahl Erzeuger für die notwendige Erntemenge zu gewinnen. Diese verpflichteten sich, nur ungespritztes Obst von Hochstämmen abzuliefern und erhielten für diese Garantie von der Firma Mohr je nach Verkaufsergebnis einen Aufpreis von 4 - 12 DM pro dz. Vier Jahre lang erfasste die Firma Mohr bis zu 300 Tonnen jährlich in Containern, verarbeitete die Äpfel getrennt und vermarktete den Saft in Baden-Württemberg und Nordbayern. Da jedoch ein spezielles Werbekonzept und ein einprägsames regionales Markenzeichen fehlte, waren die Verkaufserfolge eher bescheiden. Die Firma Mohr verlor deshalb das Interesse am gemeinsamen Projekt und mit der "Hohenloher Fruchtsäfte Carl Schließmann Nachf. GmbH" in Schwäbisch Hall fand die Streuobstinitiative 1993 jedoch eine neue kompetente Partnerfirma.
 
Doch der Streuobstapfelsaft war auch mit dem neuen Vermarktungspartner noch lange kein Selbstläufer. Nach Hinzuziehung eines Marketing-Experten wurde vom FÖS 1996 das Umweltzentrum Kreis Schwäbisch Hall (gemeinsame Geschäftsstelle der Naturschutzverbände) mit der Aufstellung und Durchführung eines Werbe- und Marketingkonzepts beauftragt, das vom Landschaftserhaltungsverband im Landkreis Schwäbisch Hall mit über 12 000,- DM bezuschusst wurde. Als neuer Markennamen wurde nach einer Idee von Umweltzentrum-Geschäftsführer Martin Zorzi "GRÜNSPECHT" ausgewählt. Der Grünspecht gilt als Symbol der Artenvielfalt unserer Streuobstwiesen und soll die Sympathie der Verbraucher wecken. Ferner wurde damit die Möglichkeit offengehalten, unter diesem Markennamen noch weitere Streuobst-Produkte anbieten zu können. Anschließend wurden von Umweltzentrum und FÖS Gespräche mit Groß- und Einzelhandel, mit dem Hotel- und Gaststättenverband, dem Fremdenverkehrsverband und ausgewählten Betrieben geführt, eine Werbeserie für die Medien entwickelt und ein vom Landrat unterzeichneter Aufruf an alle Vereine und Verbände im Landkreis verfaßt Im November 1998 wurden dann der regionale Apfelsaft (1-l-Flasche) und das Apfelsaft-Schorle (1/2-l-Flasche) mit dem neuen Verkaufssymbol "GRÜNSPECHT" im Rahmen einer Pressekonferenz von Landrat Ulrich Stückle, der auch Vorsitzender des Landschaftserhaltungsverbandes ist, der Öffentlichkeit vorgestellt.
Aufgrund dieser überwiegend von ehrenamtlicher Seite getragener Öffentlichkeitsarbeit stieg zwischen Herbst 1998 und Mai 2000 der monatliche Absatz von 2.800 l auf nahezu 16.000 l an. Gleichzeitig wurde die Produktpalette laufend erweitert. Zum naturtrüben Apfelsaft und naturtrüben Schorle kamen Apfelessig, Apfelmost und Obstler. Der Markenname GRÜNSPECHT ist damit auf die erwartete Sympathie gestoßen und zum Inbegriff eines naturnahen Getränkes der Region geworden. Für den FÖS geht es mittlerweile wieder darum, eine ausreichende Erntemenge an Obst zu erfassen. Während es bis 1998 nur eine Annahmestelle für FÖS-Obst gab, wurden 1999 zwei weitere, letztes Jahr eine vierte Stelle eingerichtet. Ab Herbst 2000 wurde das GRÜNSPECHT-Projekt in Zusammenarbeit mit der Kreisgruppe Ansbach des Bund Naturschutz in Bayern e.V. auf den Landkreis Ansbach in Mittelfranken ausgedehnt.

 
Zeitungsartikel: